23.03.2015

Klimawandel: Der Mythos vom natürlichen Gleichgewicht

Analyse von Gerd Ganteför

Ein natürliches Gleichgewicht ist unmöglich. Natur und Gleichgewicht harmonieren nicht miteinander. Die Veränderungen in der Natur sind nämlich der Antrieb der Evolution. Der Physiker Gerd Ganteför wagt, die Auswirkungen der Erderwärmung zu prognostizieren

Die Energiewende geht von der Vorstellung eines natürlichen Gleichgewichts aus. Dabei wird angenommen, dass das Klima ohne den Einfluss des Menschen stabil bleibt. Der Mensch stört dieses Gleichgewicht mit seinen Treibhausgasemissionen. Der Meeresspiegel steigt und es kommt zu immer mehr Extremereignissen wie Orkanen, Dürren und Überschwemmungen. Von dieser Logik ausgehend, lässt sich das Problem nur dadurch lösen, dass die Treibhausgasemissionen möglichst rasch auf null zurück gefahren werden. Die Vorstellung von einem natürlichen Gleichgewicht ist wissenschaftlich gesehen allerdings falsch. Die Natur war zu keinem Zeitpunkt im Gleichgewicht und wird es auch niemals sein. Sie verändert sich meist langsam, aber drastisch.

Zum Beispiel war die Luft die meiste Zeit seit dem Entstehen der Erde nicht atembar. Ein Mensch wäre in wenigen Minuten erstickt. Der Sauerstoff ist das Stoffwechselprodukt der Grünalgen. Er hat sich in der Atmosphäre, ähnlich wie heute das Kohlendioxid, langsam angereichert. Das aggressive Gas war für viele Lebewesen, die damals auf der Erde lebten, giftig und führte zu einem dramatischen Artensterben. Ein anderes Mal wurde es extrem kalt und die Ozeane froren bis zum Äquator ein. Die Erde wurde zu einer lebensfeindlichen Eiskugel. Auch das Leben selbst war niemals im Gleichgewicht. Ständig entstanden neue Arten und ältere Arten starben aus. Heute wird befürchtet, dass die menschengemachte Klimaerwärmung zu einem Artensterben führen könnte. Aber alle Pflanzen und Tiere, die es heute gibt, haben den seit Jahrmillionen anhaltenden Wechsel von Warmzeiten und Eiszeiten überstanden. Veränderungen sind der Antrieb der Evolution. Hätte es jemals ein „stabiles Gleichgewicht“ gegeben, hätte die Evolution aufgehört und es gäbe den Menschen nicht.

„Die Natur war zu keinem Zeitpunkt im Gleichgewicht und wird es auch niemals sein“

Auch das Klima war nie im Gleichgewicht. Während der letzten Million Jahre gab es rund zehn Eiszeiten, in denen große Teile Europas, Nordamerikas und Asiens unbewohnbar waren (siehe Abbildung 1). In einer Eiszeit ist das Klima extrem kalt, trocken und es gibt ausgedehnte Stürme. Mit der Temperatur schwankte der Meeresspiegel: In den Eiszeiten war er 130 Meter tiefer, während er in der langen tropischen Phase, die vor 200 Millionen Jahren begann, 70 Meter höher war. Vor gar nicht so langer Zeit, am Ende des Mittelalters, gab es die „Kleine Eiszeit“, die mit kalten Wintern, Fehlernten und Hungersnöten viel Leid über Europa brachte.

Abbildung 1: Schwankungen der globalen mittleren Temperatur während der letzten 400.000 Jahre. Die Temperatur lag nur für kurze Zeiten in dem für den Menschen angenehmen Bereich (hell) zwischen +2 Grad und -1 Grad gegenüber heute 1.

„Die Erwärmung ist ein Segen für Europa“

Was folgt aus diesen Erkenntnissen? Die menschengemachte Klimaerwärmung gibt es und sie wird zu einem ernsten Problem werden, wenn die Kohlendioxidemissionen so weitergehen wie bisher. Aber auch ohne den Einfluss des Menschen verändert sich das Klima. Der Mensch verursacht eine Erwärmung, das ist richtig. Aber ohne diese Erwärmung würde es immer kälter werden. Seit 5000 Jahren befindet sich die Erde in einem Kaltzeittrend. Die Kleine Eiszeit war der vorläufige Höhepunkt dieser Abkühlung. In der Wissenschaftszeitschrift Science wurde vor kurzem eine Arbeit veröffentlicht. Sie zeigt auf, wie der Kaltzeittrend durch die menschengemachte Erwärmung abrupt unterbrochen wurde (Abbildung 2). Hätte sich die Abkühlung fortgesetzt, wäre es heute ein Grad kälter. Nordeuropa wäre unbewohnbar. Die Erwärmung ist also ein Segen für Europa.

Abbildung 2: Verlauf der globalen mittleren Temperatur während der letzten 10.000 Jahre (grau: Unsicherheitsintervall). Die Temperatur erreichte vor 5000 Jahren ein Optimum und sinkt seitdem langsam der nächsten Eiszeit entgegen. Die menschengemachte Erwärmung hat diesen Trend unterbrochen und nun steigt die Temperatur rasch an (steiler Anstieg nahe null) 2.


Die Vorstellung einer gutmütigen Natur, die durch den Menschen aus dem Gleichgewicht gebracht wird, ist falsch. Interessant ist, dass einige Klimaforscher den Kaltzeittrend bezweifeln. Ihre Computer sagen vorher, dass die Warmzeit für viele Jahrtausende stabil geblieben wäre. Es ist möglich, dass sie Recht haben. Aber es ist auch möglich, dass ihre Computer das vorhersagen, was die Ideologie vom „natürlichen Gleichgewicht“ unterstützt. Die chaotischen Klimaschwankungen der Vergangenheit beweisen, dass diese Ideologie falsch ist.

Vorerst wird sich die menschengemachte Klimaerwärmung fortsetzen, denn überall auf der Welt steigen die Treibhausgasemissionen ungebremst weiter an. Das Nordpolarmeer wird im Sommer eisfrei werden und der Permafrost, der rund die Hälfte der Fläche Russlands unbewohnbar macht, wird sich immer weiter zurückziehen. Auch wenn die Deutschen dies mit großer Sorge betrachten, hat die Erwärmung für die Bewohner der nördlichen Länder große Vorteile. Langfristig wird es allerdings zu warm werden. Dann brauchen wir einen Plan B für die Lösung des Klimaproblems, denn die rechtzeitige Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen wird nicht gelingen. Das ist nur der Traum eines reichen Landes, das nichts von Armut und Überbevölkerung weiß. Es ist ein Fehler, die globale Realität zu verkennen. Wir müssen über Alternativen zur Energiewende nachdenken.

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