23.06.2021

Der kalte Zwang des Steuerns und Lenkens

Von Christoph Lövenich

Die nächste Kaskade an Tabaksteuererhöhungen steht bevor. Dampfen und Wasserpfeifen sind besonders betroffen. So dreht sich die Abwärtsspirale der Umerziehung weiter.

„Es dürfen hier einmal die Fragen gestattet sein, warum dieser Gesetzentwurf überhaupt und dann noch so spät in der Legislaturperiode eingebracht worden ist“ gab diesen Monat ein CDU-Bundestagsabgeordneter zu Protokoll, „und ob sich die aufwendige Beratung der letzten Wochen auch gelohnt hat.“ Antwort zu 1): Es ging um Tabaksteuererhöhungen, die haben höchste Priorität, die Gängelung der Raucher duldet keinen Aufschub, genauso wenig wie z.B. der Staatstrojaner. Antwort zu 2): Ja, denn zumindest bei den Tabakwaren hat man noch mehr Erhöhungen durchgesetzt als vorgeschlagen, und je krasser, desto besser in unserer schönen neuen Zeit.

Von 2022 bis 2026 greift nun (zum wiederholten Male) eine Kettensteuererhöhung, in vier statt wie von der Bundesregierung ursprünglich geplant fünf Schritten (2024 bleibt diese Belastung gleich), dafür aber heftiger. Schon jetzt gehen rund 80 Prozent des Kaufpreises einer Zigarettenpackung für Steuern drauf, aber rote Linien beachtet man dort (wie anderswo in der Politik) längst nicht mehr. Hinzu kommen eine starke Erhöhung bei den Liquids für Dampfer (wobei es sich nicht einmal um Tabakprodukte handelt) und bei Tabakerhitzung sowie eine Zusatzsteuer auf Wasserpfeifentabak, denn dessen wachsende Popularität schreit nach Bestrafung.

Sicher, „Rauchen hat [bei Corona] fast den gleichen protektiven Effekt wie eine Impfung“ und wenn dieser Virus wirklich so schlimm und Immunität dagegen so wichtig wäre, müsste man ja für alle Tabakraucher dankbar sein. Dann hätte die von WHO, EU usw. anvisierte reine Nichtrauchergesellschaft auch bei Atemwegsinfekten so ihre Nachteile. Man könnte also den Tabakgenießern fiskalisch ein wenig entgegenkommen. Aber halt, eine Tabaksteuersenkung gab es zuletzt zu Ludwig Erhards Zeiten. Und gerade seit der Jahrtausendwende hat sich das Tempo der Erhöhungen enorm beschleunigt, genau wie das der anderen Anti-Tabak-Maßnahmen (Ekelaufdrucke auf Packungen, gesetzliche Rauchverbote, Abschaffung von Aromen usw.).

Abb. 1: Steuerentwicklung. Hinweis: Die Umsatzsteuer wird auch auf die Tabaksteuer erhoben. Quelle: Netzwerk Rauchen.

Staatliche Politik wirkt auch mittelbar als Preistreiber, sei es durch eine „EU-weite totale Tabaküberwachung“ in Form eines Rückverfolgbarkeitssystems (Track and Trace) oder durch die Aufnahme von Zigaretten in die deutsche Umsetzung der EU-Kunststoffmüllrichtlinie (der Filter wegen). Diesen erzwungenen, zusätzlichen Aufwand und die Bürokratiekosten halst die Tabakwirtschaft dem Endverbraucher auf. Da sich die Hersteller im heutigen Zeitgeist nicht mehr trauen, grundsätzlich gegen Steuererhöhungen zu opponieren, befürworten sie viele kleine Schritte, wo sie jeweils noch eigene Preissteigerungen draufsatteln können, ohne dass es groß auffällt.

„Der kalte Impfzwang bei Corona ist im Kulturkampf um den Tabak schon lange die Methode.“

Dieses Konzept, die Konsumenten nicht so stark merken zu lassen, wie sehr man sie melkt, entspricht auch dem Interesse von Teilen der Finanzbürokratie und -politik, denen es um die Einnahmen fürs Staatssäckel geht. Allerdings hat sich schon lange der Wechsel von der melkenden zur schlachtenden Tabaksteuer vollzogen, die die finanziellen Daumenschrauben immer weiter anzieht (ohne dass die Steuereinnahmen steigen), um die Raucher zum Aufgeben zu zwingen. Der kalte Impfzwang bei Corona, wie ihn Sascha Lobo im Spiegel formulierte, ist im Kulturkampf um den Tabak schon lange die Methode. Turmhohe Preise, gesetzliche Restriktionen und sozialer Druck: Ohne Tabakwaren ganz zu verbieten, sollen Schikane um Schikane die Tabakgenießer ausräuchern und kleinkriegen.

Wenn dann missliebige Erkenntnisse auftauchen, wie die geringere Anfälligkeit für Corona, die das herrschende Narrativ in Frage stellen, heißt es im Mainstream eben: alles Fake News und von der Tabakindustrie gekauft. Das Äquivalent zu: alles rechte Verschwörungstheorien. Apropos: Aus der Tabakbekämpfung sind einem Akteure wie die WHO, Bill Gates, Johnson & Johnson oder Pfizer lange vertraut. Bestimmte Pharmakonzerne und ihre Großaktionäre profitieren nicht nur von der aktuellen Corona-Massenimpfung, sondern sind seit mehreren Jahrzehnten eine wesentliche Lobby hinter Tobacco Control. Es geht um einen Milliardenmarkt von Psychopharmaka zur Tabakentwöhnung, Apothekennikotin – Kaugummis, Pflaster usw. – und wohl auch um allgemeine Psychopillen für Menschen, denen man den Genuss genommen hat. Das Thema Nebenwirkungen spielt in diesem Bereich ebenfalls eine Rolle, z.B. bei Pfizers Champix. Übrigens: Am gleichen Kalendertag wie die Tabaksteuererhöhungen hat der Bundestag erstmalig eine Krankenkassenerstattung von Raucherentwöhnung in bestimmten Fällen beschlossen, ein langgehegter Wunsch der Anbieter.

Das erklärt zudem das Interesse, auch das Liquidverdampfen (sog. „E-Zigaretten“) mit hohen Strafsteuern zu belegen. Viele ideologische – oder eher staats- als pharmafinanzierte –Tabakgegner hingegen sehen darin wiederum ein kleineres Übel. Ganz ähnlich wie manche Ökos, die das Autofahren nicht ganz verbieten wollen, sondern mittels obrigkeitlicher Anreize „Verbrenner“ durch E-Autos ersetzen möchten.

„Das Rad der Umerziehung dreht sich weiter, Fleisch- und Zuckersteuern werden gefordert, Warnhinweise auf alkoholischen Getränken sind geplant.“

Eine hinreichende „Lenkungswirkung“ dieser Art vermisste in der Tabaksteuer-Bundestagsdebatte der Redner der Grünen. Diese sowie die Linkspartei hatten gegen den Entwurf votiert, weil er ihnen nicht weit genug geht in Sachen Rauchergängelung. Ein Nein kam auch von der FDP, die nicht einmal halbgar wie so oft, sondern höchst viertelgar agierte, und sich sogar brüstete, an der Seite der Grünen eine höhere Besteuerung von Wasserpfeifentabak gefordert zu haben. Da war die Kritik, die CDU-MdB Olav Gutting – übrigens der eingangs des Artikels zitierte Herr – am Produkt der eigenen Koalition zu Protokoll gab, schon etwas schärfer: Von mehreren „Wermutstropfen“ hat ihn am meisten geärgert, dass man in letzter Minute die Steuer auf Zigaretten und losen Tabak noch viel höher angesetzt hatte, was vor allem den Mittelstand gefährde, so dass er nur mit „Bauchschmerzen“ zustimmen konnte. Steht wohl stellvertretend für den CDU-„Wirtschaftsflügel“: dagegen sein, dafür stimmen.

Gutting stellte diese zusätzliche Erhöhung als Kröte hin, die man des Koalitionspartners SPD zuliebe hat schlucken müssen. Tatsächlich hatte aber auch sein Fraktionskollege Sebastian Brehm (CSU) derlei im Vorfeld befürwortet. Dass eine solche degressive Steuer die Einkommensschwachen überproportional hart trifft, dürfte weniger in Brehms Fokus liegen. Der Abgeordnete aus der Söderstadt Nürnberg führt die Liste der Top-Nebenverdiener im Bundestag an, mit mindestens drei Millionen Euro Nebeneinkünften als Steuerberater in drei Jahren Parlamentszugehörigkeit. Brehm setzt sich für niedrige Unternehmenssteuern und gegen Steuerhöhungen ein, „dem ausschließlichen Zweck der Prävention und des Gesundheitsschutzes“ zuliebe macht er aber beim Tabak gerne eine Ausnahme. Was wird derzeit nicht alles im Namen der Gesundheit durchgeprügelt? Die einzige Fraktion, die unter Erwähnung grundsätzlicher Kritik gegen den Entwurf gestimmt hat, war übrigens die AfD. Sie wandte sich gegen Bevormundung und warnte vor ähnlichen Folgen wie bei der US-Alkoholprohibition vor 100 Jahren.

Da ist was dran. Nicht nur mit einer verstärkten Beschaffung von Tabakwaren aus günstigeren Urlaubs- und Ausflugsländern ist zu rechnen, sondern auch mit steigendem Schmuggel und Schwarzhandel. Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) sieht in den Erhöhungen ein „Konjunkturpaket für die Organisierte Kriminalität", ähnlich äußern sich die Zollexperten der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der hiesige Einzelhandel dürfte auf der Verliererseite stehen, ebenso Shisha-Cafés. Und natürlich Dampfer und Raucher. Aber das sind ja alles Frösche, die nicht gefragt werden, während man den Sumpf des selbstbestimmten Lebensstils trockenlegt.

Das Rad der Umerziehung dreht sich weiter, Fleisch- und Zuckersteuern werden gefordert, Warnhinweise auf alkoholischen Getränken sind geplant, vom Fleisch gar nicht erst zu reden. Alles kalter Zwang, der uns nicht kalt lassen sollte.

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